„Als Berliner werde ich immer Liebenzeller bleiben!“

Inka und Christoph Scharf

Chris­toph Scharf, Absol­vent des Theo­lo­gi­schen Semi­nars der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on, arbei­te­te 20 Jah­re in der Gemein­de­grün­dung in Meck­len­burg-Vor­pom­mern und wech­selt nun in eine Ber­li­ner Gemein­de. Er berich­tet, was sei­ne Arbeit ausmachte.

Chris­toph, was hast Du in Meck­len­burg-Vor­pom­mern gemacht?
Ich ver­las­se nach 20 Jah­ren Meck­len­burg-Vor­pom­mern. Zunächst war ich acht Jah­re in Schwe­rin tätig und nun zwölf Jah­re in Bad Doberan unmit­tel­bar an der Ost­see gele­gen. In dem Städt­chen mit knapp 13.000 Ein­woh­nern gab es seit 1978 ein Frei­zeit­heim des Meck­len­bur­gi­schen Gemein­schafts­ver­ban­des mit Voll­ver­sor­gung und Haus­el­tern. Als 2007 der gro­ße G8-Gip­fel im Stadt­teil Hei­li­gen­damm statt­fand, über­leg­te man, das Haus zu ver­kau­fen und im benach­bar­ten Küh­lungs­born ein neu­es Frei­zeit­heim zu bau­en, was sich Gott sei Dank zer­schlug. Zeit­gleich kam der Gedan­ke auf, hier in Bad Doberan eine Gemein­de zu bau­en. Dazu wur­den wir ange­fragt. Wir haben mit einem klei­nen Team ange­fan­gen, das sich wöchent­lich traf und über­leg­ten, wie wir eine Gemein­de grün­den kön­nen. Wir schul­ten Mit­ar­bei­ter und bete­ten vor allem sehr viel. Gera­de das Gebet leg­te die Grund­la­ge, dass eine Gemein­de gewach­sen ist. Dabei hal­fen uns auch die Wil­low-Creek-Kon­gres­se und Impul­se: „Die Orts­ge­mein­de ist die Hoff­nung der Welt.“ Oder: „Was wür­de die­ser Stadt feh­len, wenn es uns als Gemein­de ‚Haus Got­tes­frie­den‘ nicht mehr geben wür­de?“ Wir fra­gen uns immer wie­der: „Was wol­len wir sein?“ Unse­re Ant­wort: Wir woll­ten in dem are­li­giö­sen Kon­text Jesus bekannt machen. Fer­ner woll­ten wir für die Men­schen da sein und ihnen etwas geben, das sie ver­mis­sen wür­den, wenn es uns nicht mehr gebe. Und dar­aus ist eben eine Gemein­de gewachsen.

Wie vie­le Mit­ar­bei­ter wart ihr im Schnitt?
Wir hat­ten bis zu 16 Mit­ar­bei­ter in der Spit­ze. Wir hat­ten zeit­wei­se bis zu drei Kin­der­got­tes­dienst­grup­pen. Wir hat­ten auch ein super Musik-Team. Zu Ostern boten wir meh­re­re Jah­re Lob­preis-Aben­de an. Bis zur Coro­na-Pan­de­mie zähl­ten wir bis 70 Got­tes­dienst­be­su­cher. Für unse­ren Ort und für den Meck­len­bur­gi­schen Gemein­schafts­ver­band waren wir eine rela­tiv gro­ße Gemein­de. Dabei waren rund ein Drit­tel der Besu­che­rin­nen und Besu­cher gar kei­ne Chris­ten, son­dern schlicht Men­schen, die sich ein­fach nur bei uns wohl­ge­fühlt haben. Unse­re Got­tes­diens­te fin­den immer um 15 Uhr statt, da wir noch bis 2015 ein Frei­zeit­heim für Selbst­ver­sor­ger waren, des­halb konn­ten wir kei­ne frü­he­ren Got­tes­diens­te anbie­ten. Und das haben wir dann auch bewusst so bei­be­hal­ten. Alle zwei Wochen boten wir Kaf­fee und Kuchen an und vie­le sind dann erst nach 18 Uhr gegan­gen. So hat­te ich mir immer Gemein­de vor­ge­stellt, bei der wir für­ein­an­der bete­ten. Mit der Coro­na-Pan­de­mie hat sich die Gemein­de kom­plett ver­än­dert. So sind vie­le in ande­re Gemein­den abge­wan­dert, die grö­ße­re Räu­me hat­ten und ihre Got­tes­diens­te daher nicht auf Online-Ange­bo­te umstel­len muss­ten. Hin­zu kamen mas­si­ve Ehe­pro­ble­me bei Gemein­de­mit­glie­dern. Außer­dem wech­sel­ten eini­ge Mit­ar­bei­ter die Gemein­de. Lei­der ist die Gemein­de aus die­sem „Win­ter­schlaf“ noch nicht ganz auf­ge­wacht. Wenn wir heu­te 20 bis 25 Got­tes­dienst­be­su­cher sind, sind wir schon glücklich.

Was waren Dei­ne Höhe­punk­te in Dei­ner Arbeit?
Wir haben uns an allen Fes­ten betei­ligt. So haben wir bei einer Kul­tur­nacht unser Haus geöff­net. Beim Kin­der­fest haben wir Spie­le ange­bo­ten, die Kin­der­zen­tra­le der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on unter­stütz­te uns dabei. Auch auf dem Weih­nachts­markt waren wir mit einem Stand ver­tre­ten, ich durf­te sogar auf der Büh­ne mode­rie­ren. Und wir orga­ni­sier­ten Luther-Fes­te, beim letz­ten 2019 kamen fast 300 Men­schen zu uns. Dabei gab es vie­le mit­tel­al­ter­li­che Stän­de mit Hand­werks­kunst, Bogen­schie­ßen und Kos­tüm­wett­be­wer­ben. Wir woll­ten der Stadt auch immer Mög­lich­kei­ten geben zu fei­ern. Dem regel­rech­ten Hal­lo­ween-Wahn am 31. Okto­ber woll­ten wir angst­freie Zonen ent­ge­gen­set­zen. Dazu kamen Mis­si­ons­vor­trä­ge, Frei­luft­got­tes­diens­te und das von Wil­low Creek inspi­rier­te „Aben­teu­er­land“ für Kin­der. Wir ver­such­ten so oft wie mög­lich prä­sent zu sein. Und das wür­dig­te der Bür­ger­meis­ter auch bei mei­nem Abschied. Dabei bedank­te er sich dafür, dass wir uns so sehr in und für die Stadt enga­giert haben. Wir woll­ten auf­fal­len und Men­schen ganz klar auf Jesus hin­wei­sen. Wir mach­ten deut­lich, dass unser Haus nicht nur „Got­tes­frie­den“ heißt, son­dern dass man ihn hier auch fin­det. Das war unser Ziel und unse­re Aufgabe.

Was hat Dich geprägt?
Bei mei­ner Ein­seg­nung 2002 im Mis­si­ons­zelt über­reich­te mir der dama­li­ge Direk­tor Pfar­rer Hans­pe­ter Wolfs­ber­ger, der ein gro­ßer Befür­wor­ter der Mis­si­ons­ar­beit in Meck­len­burg-Vor­pom­mern und mein per­sön­li­cher Seel­sor­ger war, mit einem Lächeln den Bibel­spruch aus Jesa­ja 41,13: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dei­ne rech­te Hand fasst und zu dir spricht: Fürch­te dich nicht, ich hel­fe dir!“ Die­ser Vers ist mir tat­säch­lich ein Pro­gramm gewor­den für mein bis­he­ri­ges Leben: Ich konn­te, egal, wo ich auch hin­ge­gan­gen bin oder es mir manch­mal gar nicht vor­stel­len konn­te, erle­ben, wie Gott mei­ne rech­te Hand fasst, auch die mei­ner Fami­lie. Die­se hel­fen­de Hand habe ich immer wie­der erlebt. Die Gemein­de­ar­beit hier war ein Fami­li­en­pro­jekt! Die Got­tes­dienst­be­su­cher lob­ten wie­der­holt, dass wir uns mit unse­ren fünf Kin­dern in die Gemein­de­ar­beit ein­ge­bracht haben: Zum Bei­spiel im Tech­nik­team, in der Kin­der- und Jugend­ar­beit oder bei der Musik. Und ich freue mich, dass unse­re Toch­ter Pia seit Ende August mit dem impact-Team an der Ama­no-Schu­le in Sam­bia für ein Jahr den Dienst in der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on fort­führt, nach­dem ich dort nun aufhöre.

Du wech­selst nun in die Lan­des­kirch­li­che Gemein­schaft nach Ber­lin-Span­dau. Was ist dort Dei­ne Aufgabe?
Bereits vor drei Jah­ren ver­ein­bar­te ich mit der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on, dass ich 2022 nach dem Aus­bil­dungs­ab­schluss einer unse­rer Töch­ter als Mul­ti­pli­ka­tor und Bot­schaf­ter für die Mis­si­ons­ar­beit in eine Gemein­de­ar­beit wechs­le und Platz mache für die nächs­te Genera­ti­on im Gemein­de­grün­dungs­team. Die Lan­des­kirch­li­che Gemein­schaft in Ber­lin-Span­dau, mei­ne Hei­mat­ge­mein­de, die mich vor 25 Jah­ren in die Aus­bil­dung nach Bad Lie­ben­zell aus­ge­sandt hat, frag­te mich mehr­fach an, ob ich nicht als Pas­tor zu ihnen wech­seln könn­te. Dort gab es seit ihrer Grün­dung vor über 60 Jah­ren stets Pre­di­ger aus Liebenzell.

Was nimmst Du aus Bad Doberan und Meck­len­burg-Vor­pom­mern mit?
Ich neh­me die Begeis­te­rung und das Wis­sen mit, dass Gemein­de­bau auch in schwie­ri­gen Gebie­ten mög­lich ist, wo es sehr viel Athe­is­mus gibt. Ich bin dabei weni­ger der klas­si­sche Gemein­de­grün­der als viel­mehr Gemein­de­be­le­ber. Es gibt in Ber­lin Über­le­gun­gen, ein Aus­bil­dungs­kon­zept für „Zelt­ma­cher“ zu ent­wi­ckeln, Men­schen also theo­lo­gisch zu schu­len, die wei­ter in ihrem Beruf arbei­ten und bewusst in Gegen­den zie­hen, in denen sich Gemein­den kei­nen haupt­be­ruf­li­chen Pas­to­ren leis­ten können.

Wie bleibt die Bezie­hung zur Lie­ben­zel­ler Mis­si­on bestehen?
Ich blei­be Lie­ben­zel­ler! Das ist mei­ne Hei­mat. Wir wer­den mit der Jun­gen Kir­che Ber­lin-Trep­tow, einem Gemein­de­grün­dungs­pro­jekt der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on, ein regio­na­les Mis­si­ons­fest pla­nen. Ich wer­de auf jeden Fall der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on treu blei­ben, auch wenn ich nun in einer Gemein­de inner­halb des Gemein­schafts­ver­ban­des Ber­lin-Bran­den­burg arbei­te. Wo die Lie­ben­zel­ler Mis­si­on auf­taucht, bin ich dabei. Ich bin sehr dank­bar für alle Unter­stüt­zer und Beter, die uns in die­sen 20 Jah­ren unter­stützt haben.