Shingo ist ein abgelegenes Dorf hoch oben im Norden Japans, in das sich normalerweise nur wenige Touristen verirren würden. Eine erstaunliche Sehenswürdigkeit sorgt jedoch dafür, dass jedes Jahr mehrere tausend Besucher den Weg in den kleinen Ort finden: das „wahre“ Grab Jesu Christi.
Um das Grab rankt sich die Legende, dass Jesus im Alter von 21 Jahren nach Japan kam, hier sein göttliches Wissen vermehrte und mit 33 Jahren wieder nach Judäa zurückkehrte. Dort stieß seine Botschaft bei den Menschen allerdings nicht gerade auf Begeisterung und er sollte schließlich von den Römern am Kreuz hingerichtet werden. Im letzten Augenblick konnte er der Hinrichtung dadurch entgehen, dass sein jüngerer Bruder Isukiri stellvertretend für ihn den Tod am Kreuz auf sich nahm. So konnte Jesus fliehen und nach einer beschwerlichen Reise gelangte er wieder nach Japan und ließ sich in dem kleinen Dorf nieder. Hier heiratete er seine Frau Miyuki, bekam drei Töchter und lebte fortan von der Landwirtschaft. Nach einem erfüllten Leben verstarb er schließlich im hohen Alter von 106 Jahren und liegt dort bis heute begraben.
Das Grab selbst ist heute nicht viel mehr als ein kleiner, von einem weißen Holzzaun umrundeter Hügel, in dessen Mitte ein Holzkreuz in den Himmel ragt. So mancher Besucher wird sich die berechtigte Frage stellen, ob dort wirklich der wahre Christus begraben liegt.
Glücklicherweise bleibt diese Legende nur eine Legende und beschreibt nicht die wahren Begebenheiten von Jesu Leben, Tod und Auferstehung. Ansonsten wäre unser Glaube eine trost- und kraftlose Angelegenheit. Wir sind hier, um den Menschen, von denen die wenigsten die Bedeutung von Ostern kennen, von einem leeren zu Grab erzählen und von einem Jesus, der keinen Stellvertreter ans Kreuz gehen ließ. Die Bibel berichtet uns, dass Jesus nach seiner Auferstehung den erschrockenen Jüngern versicherte: „Ich bin es wirklich“ (Lukas 24,39). Keine Legende oder eine andere Person steht vor ihnen, sondern der wahre Christus selbst. Das löst eine unbändige Freude in ihnen aus, die ihr ganzes Leben verändert.
Auch heute noch erfahren Menschen in Japan die Kraft der Auferstehung und erleben diese Freude, wenn Jesus in ihrem Leben Wirklichkeit wird.
Das durften wir an einem besonderen Ostersonntag vor drei Jahren miterleben, als sich drei unserer Freunde taufen ließen. Durch die Coronabestimmungen war eine Taufe im Kirchengebäude nicht möglich und wir mussten nach einer passenden Alternative suchen. Da Japan ein Inselstaat ist, war eine Ausweichmöglichkeit schnell gefunden und wir konnten schließlich unsere Freunde im Meer taufen. Für uns alle war das ein sehr bewegender und freudiger Moment. Was uns aber noch mehr bewegt ist, zu sehen, wie diese Osterfreude im Leben der Einzelnen weiterwächst und dadurch konkret sichtbar wird, dass sie in schwierigen Situationen neue Hoffnung bekommen und in Beziehungen Friede einkehrt.
Auch in diesem Jahr dürfen wir die Gewissheit haben, dass die Osterbotschaft keine ausgedachte Legende ist, sondern eine Wirklichkeit, die Menschen verändert. Deshalb von Herzen Frohe Ostern oder „Iisuta Omedetou“, wie man sich hier gegenseitig zusagt.
Diesen Beitrag hat unser Japan-Missionar Lothar Sommer im Auftrag des Evangelischen Gemeindeblatts für Württemberg geschrieben.